1 Allgemeine Angaben zum Sonderforschungsbereich
1.1 Forschungsprogramm
Das wissenschaftliche Gesamtkonzept des Tübinger Sonderforschungsbereichs
275 für die Bewilligungsperiode 1998 - 2000 hat sich gegenüber
dem Einrichtungsantrag nicht grundlegend verändert, wohl
aber in einzelnen Teilbereichen weiterentwickelt. Das Forschungsprogramm
kann daher - insbesondere hinsichtlich der Grundüberlegungen
für das Gesamtkonzept - vergleichsweise knapp dargestellt
werden; die neueren Entwicklungen und Veränderungen werden
dagegen ausführlicher erläutert.
1.1.1 Einleitung und Überblick
Der Tübinger Sonderforschungsbereich 275 leistet mit einem
geowissenschaftlichen Ansatz einen Beitrag zur Klimasystemforschung.
Unter dem Begriff "Klimasystem" wird dabei das komplexe
Wechselwirkungsnetz verstanden, das die Prozesse der Atmosphäre,
die endogenen und exogenen Prozesse der Geo- und Hydrosphäre
sowie die biogenen und anthropogenen Prozesse der Biosphäre
verbindet (Abb. 1). Der geowissenschaftliche Ansatz in der Klimasystemforschung
macht sich zunutze, daß in den Dokumenten der Erdgeschichte
(Gesteine, Fossilien) auch die Wechselwirkungen des Klimasystems
festgehalten sind und mit geeigneten Methoden rekonstruiert werden
können. Die grundsätzliche Bedeutung der geowissenschaftlichen
Klimasystemforschung liegt auf mehreren Ebenen:
-
sie gibt Aufschluß über die natürliche Variabilität
und Dynamik von Klima und Umwelt;
-
sie erlaubt die Analyse der langsamen Prozesse und Wechselwirkungen
(z.B. geochemischer Kohlenstoffkreislauf), wobei auch die schnellen
Prozesse bis hin zu charakteristischen Zeiten von 1-10a (z.B.
Sonnenfleckenzyklen) zugänglich sind;
-
sie ermöglicht die Untersuchung von Klimasystem-Typen,
die sich von der heutigen Situation grundlegend unterscheiden;
-
sie schafft eine wichtige Basis für die Validierung und
0Verbesserung numerischer Klimamodelle.
Abb. 1.
Stark vereinfachte Darstellung der Komponenten
des Klimasystems und einiger Wechselwirkungen.
Im Zentrum des Forschungsprogrammes des SFB 275 steht die Frage,
wie das Klimageschehen die Prozesse der Biosphäre, Hydrosphäre
und Geosphäre steuert und selbst wieder durch diese Prozesse
beeinflußt wird. Angestrebt wird ein besseres Verständnis
des Klimasystems mit seiner erdgeschichtlichen Dynamik. Diese
allgemeine Fragestellung wird im Forschungsprogramm in vier Richtungen
operationalisiert, und zwar hinsichtlich
-
der Zeitintervalle und Klimasystem-Typen,
-
der Prozeßkopplungen,
-
der Geoökosysteme und
-
des Untersuchungsraumes.
Die Auswahl der zu untersuchenden Zeitintervalle/Klimasystem-Typen,
Prozeßkopplungen und Geoökosysteme sowie des Untersuchungsraumes
erfolgte so, daß inhaltlich und methodisch Synergie-Effekte
zwischen den einzelnen Projekten und entsprechend eine Synthese
der Einzelergebnisse im Sinne der oben genannten Zielsetzung möglich
werden.
Nachfolgend werden zunächst die ausgewählten Zeitintervalle,
Prozeßkopplungen und Geoökosysteme sowie der Untersuchungsraum,
jeweils mit Betonung der neueren Entwicklungen im SFB, dargestellt.
Anschließend werden in drei Kapiteln die methodischen Ansätze,
die Konzepte zur Datenintegration, zur Vernetzung und Synthese
erläutert.
1.1.2 Zeitintervalle und Klimasystem-Typen
Die Klima-Kopplung der verschiedenen geologischen und biologischen
Prozesse muß in Zeitintervallen untersucht werden, die die
erdgeschichtliche Variabilität des Klimasystems abdecken.
Nach klassischer Auffassung wird die phanerozoische Klima-Variabilität
durch zwei Klima-Extreme beschrieben, die als "Greenhouse"
und "Icehouse" (z.B. FISCHER 1984, SANDBERG 1985) oder
als "warm mode" und "cool mode" (FRAKES et
al. 1992) bezeichnet werden: Das Greenhouse-Klimasystem ist durch
eine global warme Klimasituation mit geringen Pol-Äquator-Temperaturgradienten
und durch das Fehlen ausgedehnter Vereisungen gekennzeichnet;
das Icehouse-Klimasystem als die global kühle Phase zeichnet
sich demgegenüber durch eine bipolare Vereisung mit entsprechend
steileren Pol-Äquator-Temperaturgradienten aus. Mit Blick
auf die känozoische Klimaentwicklung erscheint es sinnvoll,
darüber hinaus einen Intermediären Klimasystem-Typ zu
unterscheiden, der zwischen Greenhouse- und Icehouse-System vermittelt
und durch eine primär unipolare Vereisung charakterisiert
ist.
An diesen drei Klimasystem-Grundtypen orientiert sich die Gliederung
des SFB in Projektbereiche (Abb. 2):
Abb. 2.
Zeitintervalle, Klimasystem-Typen und Teilprojekte.
Im Projektbereich A wird das Greenhouse-Klimasystem in drei Projekten
am Beispiel der Mittel- u. Obertrias, des Unterjura, des unteren
Mitteljura und Oberjura und der Mittelkreide untersucht.; der
Projektbereich B befaßt sich in 4 Teilprojekten mit klimagekoppelten
Prozessen im Intermediären Klimasystems vom Oligozän
bis Pliozän; das Icehouse-Klimasystem des Quartärs ist
Gegenstand der Untersuchungen im Projektbereich C, wobei sich
die insgesamt 6 Projekte auf den Zeitraum der letzten 500.000
Jahre konzentrieren; schließlich sind im Projektbereich
D vier Projekte zusammengefaßt, die übergreifend über
mehrere Klimasystem-Typen oder stärker methodisch arbeiten.
Gegenüber der ersten Bewilligungsperiode gibt es in den untersuchten
Zeitintervallen und Klimasystem-Typen keine grundlegenden, wohl
aber kleinere Verschiebungen. Aufgrund der Wegberufung von Prof.
Ricken und Prof. Hüßner kann das in der Obertrias angesiedelte
Projekt A1 nicht in der bisherigen Form weitergeführt werden;
Teile des Projektes werden daher mit dem TP A3 zu einem TP A1/A3
zusammengeführt. In den Projektbereichen B und C sollen zumindest
in Einzelbereichen auch die Übergänge zwischen beiden
Klimasystem-Typen besser erfaßt werden. So werden im Projektbereich
B die Untersuchungen auf das Pliozän ausgedehnt (bisher:
Oligozän-Miozän), während im Projektbereich C zumindest
teilweise auch das Altpleistozän erfaßt werden soll.
Durch die Berücksichtigung der verschiedenen Zeitintervalle
soll es langfristig möglich werden, die Besonderheiten der
Klimasystem-Typen hinsichtlich ihrer Prozeßkopplungen herauszuarbeiten.
Hier wird das Augenmerk einerseits den (atmosphärischen und
ozeanischen) Zirkulationsmustern und damit dem Äquator-Pol-Wärmetransport
gelten, der bisher nur für die rezente Icehouse-Situation
annähernd verstanden ist. Ein weiterer Schwerpunkt wird sein,
die Sensitivität und Reaktionen der verschiedenen Klimasystem-Typen
auf Schwankungen der Erdbahnparameter (Milankovitch-Zyklen) besser
zu verstehen.
1.1.3 Prozeßkopplungen
Innerhalb der drei Klimasystem-Grundtypen werden ausgewählte
Wechselwirkungen untersucht; diese betreffen die Kopplung zwischen
-
Klima und endogenen Prozessen der Lithosphäre;
-
Klima und exogenen Prozessen der Lithosphäre;
-
Klima und Biosphäre, einschließlich der kulturellen
Entwicklung des Menschen (vgl. Abb. 3).
-
Wechselwirkungen zwischen endogenen Prozessen der Lithosphäre
und Klima-Dynamik:
Endogene geologische Prozesse wie Vulkanismus und Plattenbewegungen
(mit allen ihren Begleit-Prozessen) sind wesentliche Determinanten
des Klimageschehens. Im SFB konzentrieren sich die Untersuchungen
zunächst auf die Wechselwirkungen zwischen Gebirgshebung
und Klima am Beispiel der tertiären Alpenhebung und sind
entsprechend im Projektbereich B (Intermediäres Klimasystem)
angesiedelt. Ziel ist es, konkrete Daten zum Einfluß der
sich hebenden Alpen auf das regionale Klima zu erarbeiten. Damit
lassen sich grundlegende, bisher eher theoretisch entwickelte
Vorstellungen zu den Wechselwirkungen zwischen Gebirgshebungen
und Klima (z.B. MOLNAR & ENGLAND 1990, RAYMO & RUDDIMAN
1992) überprüfen. Die Zielsetzung erfordert eine interdisziplinäre
Zusammenarbeit von Strukturgeologen, Geomorphologen, Paläontologen
und Klimamodellierern und ist in dieser methodischen Breite und
mit diesem Anspruch auf Detailtreue bisher noch nicht angegangen
worden. Das Konzept hat sich im Bewilligungszeitraum 1994 - 1997
als sehr erfolgreich erwiesen. Entsprechend sind hier, neben einer
Fülle von Einzelergebnissen der verschiedenen Arbeitsgruppen,
auch erste Tendenzen im Hinblick auf eine Synthese erkennbar.
So zeichnet sich ab, daß die Alpen noch im Miozän,
obgleich als Gebirgskette vorhanden, keinen sehr deutlichen regionalen
Klimaeffekt erzeugten, vermutlich als Folge eines insgesamt sehr
geringen zonalen Temperaturgradienten. Umgekehrt geben die bisherigen
Daten keinerlei Hinweise darauf, daß Klimaveränderungen
die tertiäre Alpenhebung über differentielle Erosion
entscheidend beeinflußt haben (vgl. die Hypothese von MOLNAR
& ENGLAND 1990). Betont sei schließlich, daß in
Verbindung mit den Untersuchungen im Projektbereich B die Klimamodellierung
erfolgreich in Tübingen etabliert werden konnte und bereits
jetzt wichtige Ergebnisse zum Verständnis des klimatischen
Effekts der Alpen und anderer Gebirge im Tertiär und heute
geliefert hat. In der neuen Bewilligungsperiode soll die Klimamodellierung
mit einem eigenen Projekt (B5) vertreten sein.
-
Wechselwirkungen zwischen Klima und exogenen Prozessen der
Lithosphäre:
Die unmittelbare Kopplung exogener Prozesse wie Verwitterung,
Erosion, Sedimentation mit dem Klimageschehen ist offensichtlich;
die komplexen Zusammenhänge sind im einzelnen jedoch kaum
verstanden, und es fehlen quantitative Detailstudien. Die bisher
im SFB untersuchten Wechselwirkungen umfassen die Denudations-
und Akkumulationsräume und betreffen drei Themenkomplexe,
die auch in der neuen Bewilligungsperiode mit ähnlicher Gewichtung
weiterverfolgt werden. Für die Ablagerungsräume soll
der steuernde Einfluß des Klimas auf Sedimentakkumulation,
sedimentäre Fazies bzw. sedimentäre Zyklen und sequenzstratigraphische
Modelle (A1/A3, A2, A4, B4, C6, D2) sowie auf die (pedogenetisch
verursachten) gesteinsmagnetischen Eigenschaften von Sedimenten
(D2) untersucht werden. Gerade bei der Analyse und Interpretation
sedimentärer Zyklen ist in der ersten Bewilligungsperiode
eine sehr gute, über die Projektbereiche hinwegreichende
inhaltliche und methodische Kooperation entstanden. Aus ihr hat
sich als weitere übergeordnete Zielsetzung die Frage nach
der Entstehung von Schwarzschiefern und verwandten Ablagerungen
in verschiedenen Milieus und Klimasystemen entwickelt, die nun
vergleichend in den TP A1/A3, A4, B3 und C6 untersucht wird.
Abb. 3
. Vereinfachte Darstellung der Wechselwirkungen
im Klimasystem. Die direkt klimaabhängigen Prozeßkopplungen
(schwarze Pfeile) stehen im Vordergrund der vorgesehenen Untersuchungen,
doch werden auch die anderen Wechselwirkungen (helle Pfeile) berücksichtigt.
Die in ihrer Klimakopplung besonders interessierenden endogenen,
exogenen und biogenen Prozesse sind als Blöcke hervorgehoben.
Der zweite Themenkomplex betrifft die Klimakopplung exogener Prozesse
der Abtragungsräume. Hier werden Intensität und Art
der Verwitterung, Abtrag, Reliefentwicklung sowie die Phasen geomorphologischer
Aktivität oder Formungsruhe in ihrem Zusammenhang mit der
Klimaentwicklung qualitativ und soweit als möglich quantitativ
erfaßt (TP B1/B2, C1, C2, D1, D2). Dabei werden etwa bei
der Rekonstruktion der Reliefentwicklung der Alpen im Tertiär
(Projektbereich B) mit der unmittelbaren Zusammenarbeit von Strukturgeologen,
Sedimentologen, Physischen Geographen und Paläontologen auch
methodisch neue Wege beschritten.
Das klimagesteuerte Zusammenspiel von Akkumulations- und Denudationsphase
wird in einem dritten Themenkomplex am Beispiel der Genese verschiedener
Aquifertypen (A2, C3, D3) untersucht. Die Klimageschichte beeinflußt
die Entwicklung von Aquiferen und damit auch viele der zur Beschreibung
von Aquiferen relevanten Parameter. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge
sollte nicht nur helfen, die Aquifergenese besser zu verstehen,
sondern auch bessere Parameterschätzungen für Modellierungen
zu ermöglichen. Dieser innovative Ansatz, d.h. Analyse der
Zusammenhänge zwischen Klimageschichte, Aquifergenese und
Aquiferparameter, erforderte in der ersten Bewilligungsperiode
vor allem die Entwicklung eines geeigneten Methodeninventars.
Die bisherigen Ergebnisse belegen aber auch, daß der Weg
grundsätzlich gangbar und lohnend ist (vgl. Arbeits- und
Ergebnisbericht TP A2, C3, D3).
-
Wechselwirkung zwischen Klima und Biosphäre, einschließlich
der kulturellen Entwicklung des Menschen:
Die Wechselwirkungen zwischen der belebten Umwelt und dem Klimageschehen
werden im SFB mit zwei Themenschwerpunkten untersucht. Im ersten
Themenkomplex geht es um den Einfluß von Klimaveränderungen
auf ganze Ökosysteme und insbesondere um folgende Problemstellungen:
Wie und wie schnell reagieren die verschiedenen marinen und terrestrischen
Ökosysteme (bzw. Faunen/Floren) auf unterschiedliche Typen
und Geschwindigkeiten von Klimaänderungen (A1/A3, A4, B3,
B4, C5/C7, C6)? Wie werden die Bioproduktion und biogene Karbonatproduktion
durch Klimaveränderungen gesteuert und wie beeinflussen sie
selbst das Klimageschehen (A1/A3, A4, B3, C6)? Diese Fragen gehören
in den unmittelbaren Kontext des "Global Change" Programmes,
das aber auf die jüngsten Zeitabschnitte beschränkt
bleibt.
Die Wechselwirkungen zwischen Klima bzw. Klimaveränderungen
und einzelnen Organismen sind Gegenstand des zweiten Themenkomplexes,
wobei sowohl modifikatorische wie auch evolutionäre Veränderungen
der Organismen berücksichtigt werden. Untersucht werden Landpflanzen
(D1, D4), Foraminiferen (D4), Mollusken (D1), marine Wirbeltiere
(B4), Landsäugetiere (C4) und der pleistozäne Mensch
(C5/C7); die erfaßten Reaktionen umfassen Veränderungen
der DNA/RNA und damit der Evolutionsrate (D4), der Isotopenchemie
von Zähnen und Knochen (B4, C4) und der Morphologie (C4,
D1) sowie die kulturelle Entwicklung des Menschen (C5/C7). Drei
gegenüber dem Erstantrag neue Entwicklungen seien besonders
betont. Die Analyse stabiler und radiogener Isotope an marinen
Wirbeltieren, zunächst im TP D1 entwickelt, wird jetzt als
eigener Projektteil im TP B4 (Leitung: Vennemann/Hegner/Reif)
fortgeführt. Durch die Berufung von Prof. Conard auf den
Lehrstuhl für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie
erfährt die Untersuchung der kulturellen Entwicklung des
Menschen und seiner Umwelt im Pleistozän eine methodische
und stratigraphische Ausweitung (TP C5/C7). Als grundlegend neues
Projekt wird im TP D4 der Einfluß des Klimas und von Klimaveränderungen
auf die molekulargenetisch rekonstruierbare Evolutionsgeschwindigkeit
an Landpflanzen und Foraminiferen untersucht und damit die neue
Arbeitsrichtung der "Molekularen Paläontologie"
etabliert.
Neben den genannten Prozeßkopplungen zwischen Klima und
den endogenen, exogenen und biogenen Prozesse müssen naturgemäß
auch die Wechselwirkungen zwischen diesen endogenen, exogenen
und biogenen Prozessen berücksichtigt werden.
1.1.4 Geoökosysteme
Die Klimakopplung der genannten geologischen und biologischen
Prozesse in den verschiedenen Zeitintervallen kann nicht global
für das gesamte Klimasystem untersucht werden. Die Analysen
im SFB beschränken sich daher auf (fossile) Geoökosysteme
als "Funktionseinheit[en] eines real vorhandenen räumlichen
Ausschnitts der Geobiosphäre" (LESER et al. 1993). Folgende
Typen von (fossilen) Geoökosystemen werden von den Teilprojekten
erfaßt (Abb. 4):
-
Ozeanisches Milieu (A1/A3, A4, B3, C6);
-
Epikontinentalmeer (A1/A3, A2, B3, B4);
-
Fluviatiles Milieu (A2, B3, C1, C3);
-
Lakustrines Milieu (A2, B3, C1, D2);
-
Gebirgsvorländer mit Senken (B4, C1, C4, C5/C7);
-
Gebirge (B1/B2, C2).
Abb. 4.
Geoökosysteme und Teilprojekte.
Die wichtigsten erdgeschichtlich dokumentierten Environments werden
somit im SFB berücksichtigt. Dadurch soll es langfristig
möglich werden, die verschiedenen Typen von Geoökosystemen
in ihrer Reaktion auf Klimaveränderungen und in ihrer Klimasensitivität
zu vergleichen und Klimasignale über Faziesgrenzen hinweg
zu verfolgen. Mit dieser Fazies-übergreifenden Arbeitsweise
bei starker Betonung des kontinentalen Bereichs bewegt sich der
SFB auf einem sehr aktuellen Forschungsfeld.
1.1.5 Untersuchungsraum
Der SFB konzentriert sich mit seinen Aktivitäten auf den
alpinen und circumalpinen Raum vom südwestdeutschen Schichtstufenland,
über die süddeutsche Molasse und die Alpen bis zum nördlichen
Mittelmeer. Dieses Gebiet ist in nahezu idealer Weise für
die geplanten Untersuchungen geeignet:
-
die Wechselwirkungen in den grundlegenden Klimasystem-Typen
lassen sich für den Zeitraum von der Trias bis heute in verschiedenen
Sedimentbecken analysieren;
-
es kann auch der Einfluß der Ausbildung von Kontinentalrändern
und des Aufstiegs eines Hochgebirges auf die regionale Klimaentwicklung
untersucht werden;
-
die wichtigsten Geoökosysteme sind in enger räumlicher
Verzahnung überliefert und für die Analyse zugänglich;
-
für den Raum existiert eine sehr lange geowissenschaftliche
Forschungstradition und eine entsprechend solide Grundlagenkenntnis,
so daß sich die Teilprojekte auf die zentralen Fragen konzentrieren
können.
Durch die räumliche Beschränkung sollen möglichst
weitreichende Vernetzungs- und Synergie-Effekte erzielt und als
Langfristperspektive eine Zusammenführung der Teilergebnisse
zu einer umfassenden Synthese im Sinne einer Klima- und Umweltgeschichte
des Untersuchungsraumes möglich werden.
Die geographischen Schwerpunkte der einzelnen Projekte und ihre
Beziehungen zur geologischen Entwicklung des Untersuchungsraumes
sind in Abb. 5 und 6 dargestellt. Gegenüber dem Erstantrag
haben sich hier kleinere Veränderungen ergeben. Nachdem bisher
Süddeutschland und die Alpennordseite im Vordergrund standen,
so werden jetzt vermehrt die Alpensüdseite und der Mittelmeerraum
berücksichtigt (TP A1/A3, A4, B3, C1, C6); dadurch werden
auch für diesen Teilraum eine bessere inhaltliche und räumliche
Vernetzung sowie für die im Tertiär und Quartär
angesiedelten Projekte ein unmittelbarer Vergleich mit der Alpennordseite
ermöglicht.
Abb. 5.
Untersuchungsraum und Teilprojekte (ohne Projektbereich D)
Abb. 6.
Stark vereinfachte meso- und känozoische Entwicklung
des Untersuchungsraumes und Teilprojekte.
1.1.6 Methodischer Ansatz und Modellierung
Die im SFB interessierenden Wechselwirkungen im Klimasystem können
nicht direkt untersucht, sondern müssen indirekt erschlossen
werden: anhand von geeigneten Proxy-Daten werden Klima bzw. Klimaveränderungen
und die relevanten geologischen und biologischen Prozesse rekonstruiert,
zueinander in Beziehung gesetzt und daraus möglichst quantitative
Modellvorstellungen über Prozeßkopplungen entwickelt.
Die Rekonstruktion von Paläoklima-Parametern nimmt methodisch
im SFB entsprechend eine zentrale Rolle ein. Sie stützt sich
in einigen wenigen Teilprojekten auf Literaturdaten (TP C3, D2,
D3, D4), wird aber in den überwiegenden Fällen unter
Anwendung eines sehr breiten Methodenspektrums auf eine Vielfalt
von biotischen und abiotischen Klimaproxies neu erarbeitet. Bewährt
hat sich hier die Bereitstellung und Entwicklung von Methoden
zur Paläoklimarekonstruktion im TP D1; sie haben bisher zu
unmittelbaren Anwendungen in den TP A1/A3, A4, B3, B4, C1, C5/C7
in ganz unterschiedlichen Faziesbereichen und Klimasystem-Typen
geführt und sollen in der kommenden Bewilligungsperiode weiter
ausgebaut werden.
Der Sonderforschungsbereich mißt der Entwicklung quantitativer
Modellvorstellungen und damit auch dem Instrument der Modellierung
besondere Bedeutung bei. Numerische Modellierungen dienen dazu,
neue (Modell-)Daten zu gewinnen, sowie Modellvorstellungen über
Prozeßabläufe und Prozeßkopplungen zu entwickeln
und zu validieren. Hierbei sind vor allem drei Themenkomplexe
zu nennen:
-
die Modellierung der Denudations- und Akkumulationssysteme (A2,
B4, D2),
-
die Aquifermodellierung (A2, C3, D3) und
-
die Klimamodellierung (B5).
Modellentwicklung wird dabei nur in der Aquifer- und in geringerem
Umfang in der Klimamodellierung betrieben; in der Beckenmodellierung
werden im wesentlichen bestehende Programme eingesetzt.
Die Klimamodellierung wurde auf Anregung der Gutachter in der
Bewilligungsperiode 1994-1997 mit einer aus der Grundausstattung
finanzierten Stelle (Dipl.-Met. Dr. M. Gebka) in Tübingen
neu etabliert. Sie war bisher im TP B3 angesiedelt und hat sich
inzwischen im Projektbereich B mit einem eigenen Forschungskonzept
sehr gut integriert (Modellierung des tertiären Klimas, Analyse
der Klima-Respons auf die Alpenhebung; zu den Ergebnissen vgl.
Arbeits- und Ergebnisbericht TP B3). Die Kontakte zu den verschiedenen
Paläoklima-Modelliergruppen wurden aufgebaut bzw. gepflegt
(v.a. AG Bengtsson, Lautenschlager/Hamburg, AG Herterich/Bremen,
AG Sarnthein/Kiel, AG Schilling/Bonn, AG Barron/PennState) und
gemeinsam mit dem SFB 350/Bonn ein Workshop zur Paläoklimamodellierung
ausgerichtet. Im SFB-Antrag für die Bewilligungsperiode 1998-2000
ist die Klimamodellierung mit einem eigenen Teilprojekt B5 vertreten.
1.1.7 EDV-Werkzeuge und Datenintegration
Im SFB werden eine Vielzahl von Daten erhoben, die in vielen Fällen
von mehreren TP gleichzeitig genutzt werden. Für die Datenverarbeitung,
-auswertung und -visualisierung ist teilweise der Einsatz von
komplexen EDV-Werkzeugen notwendig. Daher wurde im TP Z eine zentrale
Anlaufstelle geschaffen, welche diese zentralen EDV-Dienste sowie
die entsprechende Hardware innerhalb des SFB bereitstellt.
Personell setzt sich diese Arbeitsgruppe Geoinformatik zusammen
aus G. Lörcher (Geoinformatik, GA) und M. Siegl (Systemprogrammierer,
EA), die eine Beratung und Schulung der SFB-Mitarbeiter durchführen
und die TP bei der Planung und Anwendung von neuen Auswertemethoden
unterstützen. Im folgenden sind die Arbeitsschwerpunkte des
Teilprojekts Z im Bereich der komplexen EDV-Werkzeuge aufgeführt:
-
(Bereitstellung von Informationen über Art und Speicherung
von SFB-Daten in den TP: Aufgebaut wurde zunächst eine auf
dem WWW basierende Metadatenbank, welche die SFB-Mitarbeiter über
Art und Umfang der in den einzelnen Teilprojekten erhobenen und
gespeicherten Daten informiert. Zusammen mit weiteren Angaben
über Inhalte der TP swie die SFB-Mitarbeiter trägt dieses
Informationssystem zur Präsentation des SFB nach außen
bei (z.Zt. 20.000 Anfragen/Monat). Die Bedeutung der Metadatenbank
wird mit der Laufzeit des SFBs noch anwachsen, wenn verstärkt
Daten-Verschneidungen durchgeführt und Synthesen erarbeitet
werden. In der kommenden Bewilligungsperiode soll ferner die Übernahme
des Datenbanksystems "PANGAEA" für die einheitliche
Speicherung von spezifischen SFB-Daten erprobt werden.
-
Einsatz von komplexen EDV-Werkzeuge im Bereich GIS, Visualisierung
und digitale Bildverarbeitung: Dadurch wird gewährleistet,
daß alle Projekte Zugang zu modernsten Datenanalyse- und
Datenaufbereitungsmethoden haben, entsprechende Unterstützung
und Beratung erfahren und eine methodische Vereinheitlichung und
Vernetzung im Bereich der EDV-Werkzeuge zwischen den Teilprojekten
entsteht. Die Bereiche GIS und Visualisierung wurden in der bisherigen
Laufzeit aufgebaut, wenn auch noch nicht in ausreichender Kapazität;
die digitale Bildverarbeitung muß, aufgrund des hohen Bedarfs,
in der neuen Bewilligungsperiode etabliert werden.
-
Bereitstellung hochwertiger Farbausgabegeräte: Für
die Erstellung von Postern, Publikationen und Vortragsmedien werden
in allen TP hochwertige Farbausgabegeräte benötigt.
Darüber hinaus sind für die Anwendungsbereiche GIS,
Visualisierung und digitale Bildverarbeitung die Anschaffung weiterer
Ausgabegeräte, insbesondere eines Dia-Belichters und eines
hochwertigen Farbdruckers, über einen WAP-Antrag geplant.
Das TP Z betreut und verwaltet diese hochwertigen Peripheriegeräte
und stellt sie den TP zur Verfügung.
Die 'zentralen EDV-Dienste' des Teilpojekts Z sind in der bisherigen
SFB-Laufzeit von den Teilprojekten insgesamt sehr gut angenommen
worden, was sich auch in den zahlreichen Kooperationen mit den
TP dokumentiert. Durch die Unterstützung und Beratung im
Bereich der komplexen EDV-Werkzeuge leistet das TP Z einen wesentlichen
Beitrag zur Integration von Methoden und Daten innerhalb des SFB.
1.1.8 Vernetzung und Synthese
Das Forschungsprogramm des SFB ist so angelegt, daß eine
Kooperation und Vernetzung der Teilprojekte auf mehreren Ebenen
möglich wird:
-
Vernetzung über die Klimasystem-Typen: Jeweils mehrere
Teilprojekte untersuchen die Wechselwirkungen in den hier unterschiedenen
drei Klimasystem-Grundtypen. Besonders intensiv ist diese Vernetzungsebene
im Projektbereich B. (Vgl. Abb. 2.)
-
Vernetzung über die Prozeßkopplungen: Die gleichen
Prozeßkopplungen werden von verschiedenen Teilprojekten
in unterschiedlichen Klimasystem-Typen und Geoökosystemen
untersucht (vgl. Abb. 7).
-
Vernetzung über die Geoökosysteme: Die gleichen
Geoökosysteme werden in ihrer Kopplung an das Klimageschehen
von verschiedenen Teilprojekten in unterschiedlichen Klimasystem-Typen
untersucht (vgl. Abb. 4).
-
Vernetzung über den Untersuchungsraum: Alle Teilprojekte
arbeiten in einem vergleichsweise kleinen, gut umgrenzten Untersuchungsraum
(vgl. Abb. 5, 6).
-
Neben diesen inhaltlichen Vernetzungsebenen existieren auch
über gemeinsam genutzte Methoden (etwa der Klimarekonstruktion
oder der Modellierung) zahlreiche Querverbindungen zwischen den
0Teilprojekten.
Abb. 7.
Vernetzung der Teilprojekte über die untersuchten
Prozeßkopplungen
Die erstgenannten vier Vernetzungsebenen beschreiben zudem die
Themenkomplexe, in denen im Laufe der Gesamtlaufzeit des SFB eine
Synthese aus den Einzelprojekten erarbeitet werden muß;
die wesentlichen Fragen dieser Synthese sind in den Kap. 1.1.2
- 1.1.5 aufgeführt. Die Zusammenführung der Einzelergebnisse
darf nicht erst am Ende der SFB-Laufzeit eingeleitet werden; vielmehr
müssen die Forschungsarbeiten der Teilprojekte frühzeitig
auch an der Gesamtsynthese ausgerichtet werden. Dies erfordert
eine gezielte Wissenschaftskoordination, die die Teilprojekte
laufend stimuliert, nicht nur ihre konkreten Forschungsziele,
sondern auch die übergeordneten Fragestellungen des SFBs
im Auge zu behalten. Dies muß unter anderem durch die Organisation
von (SFB-internen) Arbeitsgesprächen und Workshops (mit externer
Beteiligung) erfolgen. Die Erfahrung zeigt, daß diese zentrale
Koordinierungsaufgabe mit der bisherigen Organisationsstruktur
des SFBs nicht adäquat geleistet werden kann.
Es wird daher im TP Z ein wissenschaftlicher Mitarbeiter für
die Wissenschaftskoordination im SFB beantragt.