1 Allgemeine Angaben zum Sonderforschungsbereich

1.1 Forschungsprogramm

Das wissenschaftliche Gesamtkonzept des Tübinger Sonderforschungsbereichs 275 für die Bewilligungsperiode 1998 - 2000 hat sich gegenüber dem Einrichtungsantrag nicht grundlegend verändert, wohl aber in einzelnen Teilbereichen weiterentwickelt. Das Forschungsprogramm kann daher - insbesondere hinsichtlich der Grundüberlegungen für das Gesamtkonzept - vergleichsweise knapp dargestellt werden; die neueren Entwicklungen und Veränderungen werden dagegen ausführlicher erläutert.

1.1.1 Einleitung und Überblick

Der Tübinger Sonderforschungsbereich 275 leistet mit einem geowissenschaftlichen Ansatz einen Beitrag zur Klimasystemforschung. Unter dem Begriff "Klimasystem" wird dabei das komplexe Wechselwirkungsnetz verstanden, das die Prozesse der Atmosphäre, die endogenen und exogenen Prozesse der Geo- und Hydrosphäre sowie die biogenen und anthropogenen Prozesse der Biosphäre verbindet (Abb. 1). Der geowissenschaftliche Ansatz in der Klimasystemforschung macht sich zunutze, daß in den Dokumenten der Erdgeschichte (Gesteine, Fossilien) auch die Wechselwirkungen des Klimasystems festgehalten sind und mit geeigneten Methoden rekonstruiert werden können. Die grundsätzliche Bedeutung der geowissenschaftlichen Klimasystemforschung liegt auf mehreren Ebenen:

Klimakomponenten
Abb. 1. Stark vereinfachte Darstellung der Komponenten des Klimasystems und einiger Wechselwirkungen.

Im Zentrum des Forschungsprogrammes des SFB 275 steht die Frage, wie das Klimageschehen die Prozesse der Biosphäre, Hydrosphäre und Geosphäre steuert und selbst wieder durch diese Prozesse beeinflußt wird. Angestrebt wird ein besseres Verständnis des Klimasystems mit seiner erdgeschichtlichen Dynamik. Diese allgemeine Fragestellung wird im Forschungsprogramm in vier Richtungen operationalisiert, und zwar hinsichtlich

Die Auswahl der zu untersuchenden Zeitintervalle/Klimasystem-Typen, Prozeßkopplungen und Geoökosysteme sowie des Untersuchungsraumes erfolgte so, daß inhaltlich und methodisch Synergie-Effekte zwischen den einzelnen Projekten und entsprechend eine Synthese der Einzelergebnisse im Sinne der oben genannten Zielsetzung möglich werden.

Nachfolgend werden zunächst die ausgewählten Zeitintervalle, Prozeßkopplungen und Geoökosysteme sowie der Untersuchungsraum, jeweils mit Betonung der neueren Entwicklungen im SFB, dargestellt. Anschließend werden in drei Kapiteln die methodischen Ansätze, die Konzepte zur Datenintegration, zur Vernetzung und Synthese erläutert.

1.1.2 Zeitintervalle und Klimasystem-Typen

Die Klima-Kopplung der verschiedenen geologischen und biologischen Prozesse muß in Zeitintervallen untersucht werden, die die erdgeschichtliche Variabilität des Klimasystems abdecken. Nach klassischer Auffassung wird die phanerozoische Klima-Variabilität durch zwei Klima-Extreme beschrieben, die als "Greenhouse" und "Icehouse" (z.B. FISCHER 1984, SANDBERG 1985) oder als "warm mode" und "cool mode" (FRAKES et al. 1992) bezeichnet werden: Das Greenhouse-Klimasystem ist durch eine global warme Klimasituation mit geringen Pol-Äquator-Temperaturgradienten und durch das Fehlen ausgedehnter Vereisungen gekennzeichnet; das Icehouse-Klimasystem als die global kühle Phase zeichnet sich demgegenüber durch eine bipolare Vereisung mit entsprechend steileren Pol-Äquator-Temperaturgradienten aus. Mit Blick auf die känozoische Klimaentwicklung erscheint es sinnvoll, darüber hinaus einen Intermediären Klimasystem-Typ zu unterscheiden, der zwischen Greenhouse- und Icehouse-System vermittelt und durch eine primär unipolare Vereisung charakterisiert ist.

An diesen drei Klimasystem-Grundtypen orientiert sich die Gliederung des SFB in Projektbereiche (Abb. 2):


Abb. 2. Zeitintervalle, Klimasystem-Typen und Teilprojekte.

Im Projektbereich A wird das Greenhouse-Klimasystem in drei Projekten am Beispiel der Mittel- u. Obertrias, des Unterjura, des unteren Mitteljura und Oberjura und der Mittelkreide untersucht.; der Projektbereich B befaßt sich in 4 Teilprojekten mit klimagekoppelten Prozessen im Intermediären Klimasystems vom Oligozän bis Pliozän; das Icehouse-Klimasystem des Quartärs ist Gegenstand der Untersuchungen im Projektbereich C, wobei sich die insgesamt 6 Projekte auf den Zeitraum der letzten 500.000 Jahre konzentrieren; schließlich sind im Projektbereich D vier Projekte zusammengefaßt, die übergreifend über mehrere Klimasystem-Typen oder stärker methodisch arbeiten.

Gegenüber der ersten Bewilligungsperiode gibt es in den untersuchten Zeitintervallen und Klimasystem-Typen keine grundlegenden, wohl aber kleinere Verschiebungen. Aufgrund der Wegberufung von Prof. Ricken und Prof. Hüßner kann das in der Obertrias angesiedelte Projekt A1 nicht in der bisherigen Form weitergeführt werden; Teile des Projektes werden daher mit dem TP A3 zu einem TP A1/A3 zusammengeführt. In den Projektbereichen B und C sollen zumindest in Einzelbereichen auch die Übergänge zwischen beiden Klimasystem-Typen besser erfaßt werden. So werden im Projektbereich B die Untersuchungen auf das Pliozän ausgedehnt (bisher: Oligozän-Miozän), während im Projektbereich C zumindest teilweise auch das Altpleistozän erfaßt werden soll.

Durch die Berücksichtigung der verschiedenen Zeitintervalle soll es langfristig möglich werden, die Besonderheiten der Klimasystem-Typen hinsichtlich ihrer Prozeßkopplungen herauszuarbeiten. Hier wird das Augenmerk einerseits den (atmosphärischen und ozeanischen) Zirkulationsmustern und damit dem Äquator-Pol-Wärmetransport gelten, der bisher nur für die rezente Icehouse-Situation annähernd verstanden ist. Ein weiterer Schwerpunkt wird sein, die Sensitivität und Reaktionen der verschiedenen Klimasystem-Typen auf Schwankungen der Erdbahnparameter (Milankovitch-Zyklen) besser zu verstehen.

1.1.3 Prozeßkopplungen

Innerhalb der drei Klimasystem-Grundtypen werden ausgewählte Wechselwirkungen untersucht; diese betreffen die Kopplung zwischen
  1. Wechselwirkungen zwischen endogenen Prozessen der Lithosphäre und Klima-Dynamik:
    Endogene geologische Prozesse wie Vulkanismus und Plattenbewegungen (mit allen ihren Begleit-Prozessen) sind wesentliche Determinanten des Klimageschehens. Im SFB konzentrieren sich die Untersuchungen zunächst auf die Wechselwirkungen zwischen Gebirgshebung und Klima am Beispiel der tertiären Alpenhebung und sind entsprechend im Projektbereich B (Intermediäres Klimasystem) angesiedelt. Ziel ist es, konkrete Daten zum Einfluß der sich hebenden Alpen auf das regionale Klima zu erarbeiten. Damit lassen sich grundlegende, bisher eher theoretisch entwickelte Vorstellungen zu den Wechselwirkungen zwischen Gebirgshebungen und Klima (z.B. MOLNAR & ENGLAND 1990, RAYMO & RUDDIMAN 1992) überprüfen. Die Zielsetzung erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Strukturgeologen, Geomorphologen, Paläontologen und Klimamodellierern und ist in dieser methodischen Breite und mit diesem Anspruch auf Detailtreue bisher noch nicht angegangen worden. Das Konzept hat sich im Bewilligungszeitraum 1994 - 1997 als sehr erfolgreich erwiesen. Entsprechend sind hier, neben einer Fülle von Einzelergebnissen der verschiedenen Arbeitsgruppen, auch erste Tendenzen im Hinblick auf eine Synthese erkennbar. So zeichnet sich ab, daß die Alpen noch im Miozän, obgleich als Gebirgskette vorhanden, keinen sehr deutlichen regionalen Klimaeffekt erzeugten, vermutlich als Folge eines insgesamt sehr geringen zonalen Temperaturgradienten. Umgekehrt geben die bisherigen Daten keinerlei Hinweise darauf, daß Klimaveränderungen die tertiäre Alpenhebung über differentielle Erosion entscheidend beeinflußt haben (vgl. die Hypothese von MOLNAR & ENGLAND 1990). Betont sei schließlich, daß in Verbindung mit den Untersuchungen im Projektbereich B die Klimamodellierung erfolgreich in Tübingen etabliert werden konnte und bereits jetzt wichtige Ergebnisse zum Verständnis des klimatischen Effekts der Alpen und anderer Gebirge im Tertiär und heute geliefert hat. In der neuen Bewilligungsperiode soll die Klimamodellierung mit einem eigenen Projekt (B5) vertreten sein.

  2. Wechselwirkungen zwischen Klima und exogenen Prozessen der Lithosphäre:
    Die unmittelbare Kopplung exogener Prozesse wie Verwitterung, Erosion, Sedimentation mit dem Klimageschehen ist offensichtlich; die komplexen Zusammenhänge sind im einzelnen jedoch kaum verstanden, und es fehlen quantitative Detailstudien. Die bisher im SFB untersuchten Wechselwirkungen umfassen die Denudations- und Akkumulationsräume und betreffen drei Themenkomplexe, die auch in der neuen Bewilligungsperiode mit ähnlicher Gewichtung weiterverfolgt werden. Für die Ablagerungsräume soll der steuernde Einfluß des Klimas auf Sedimentakkumulation, sedimentäre Fazies bzw. sedimentäre Zyklen und sequenzstratigraphische Modelle (A1/A3, A2, A4, B4, C6, D2) sowie auf die (pedogenetisch verursachten) gesteinsmagnetischen Eigenschaften von Sedimenten (D2) untersucht werden. Gerade bei der Analyse und Interpretation sedimentärer Zyklen ist in der ersten Bewilligungsperiode eine sehr gute, über die Projektbereiche hinwegreichende inhaltliche und methodische Kooperation entstanden. Aus ihr hat sich als weitere übergeordnete Zielsetzung die Frage nach der Entstehung von Schwarzschiefern und verwandten Ablagerungen in verschiedenen Milieus und Klimasystemen entwickelt, die nun vergleichend in den TP A1/A3, A4, B3 und C6 untersucht wird.

    Abbildung 3
    Abb. 3 . Vereinfachte Darstellung der Wechselwirkungen im Klimasystem. Die direkt klimaabhängigen Prozeßkopplungen (schwarze Pfeile) stehen im Vordergrund der vorgesehenen Untersuchungen, doch werden auch die anderen Wechselwirkungen (helle Pfeile) berücksichtigt. Die in ihrer Klimakopplung besonders interessierenden endogenen, exogenen und biogenen Prozesse sind als Blöcke hervorgehoben.

    Der zweite Themenkomplex betrifft die Klimakopplung exogener Prozesse der Abtragungsräume. Hier werden Intensität und Art der Verwitterung, Abtrag, Reliefentwicklung sowie die Phasen geomorphologischer Aktivität oder Formungsruhe in ihrem Zusammenhang mit der Klimaentwicklung qualitativ und soweit als möglich quantitativ erfaßt (TP B1/B2, C1, C2, D1, D2). Dabei werden etwa bei der Rekonstruktion der Reliefentwicklung der Alpen im Tertiär (Projektbereich B) mit der unmittelbaren Zusammenarbeit von Strukturgeologen, Sedimentologen, Physischen Geographen und Paläontologen auch methodisch neue Wege beschritten.

    Das klimagesteuerte Zusammenspiel von Akkumulations- und Denudationsphase wird in einem dritten Themenkomplex am Beispiel der Genese verschiedener Aquifertypen (A2, C3, D3) untersucht. Die Klimageschichte beeinflußt die Entwicklung von Aquiferen und damit auch viele der zur Beschreibung von Aquiferen relevanten Parameter. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge sollte nicht nur helfen, die Aquifergenese besser zu verstehen, sondern auch bessere Parameterschätzungen für Modellierungen zu ermöglichen. Dieser innovative Ansatz, d.h. Analyse der Zusammenhänge zwischen Klimageschichte, Aquifergenese und Aquiferparameter, erforderte in der ersten Bewilligungsperiode vor allem die Entwicklung eines geeigneten Methodeninventars. Die bisherigen Ergebnisse belegen aber auch, daß der Weg grundsätzlich gangbar und lohnend ist (vgl. Arbeits- und Ergebnisbericht TP A2, C3, D3).

  3. Wechselwirkung zwischen Klima und Biosphäre, einschließlich der kulturellen Entwicklung des Menschen:
    Die Wechselwirkungen zwischen der belebten Umwelt und dem Klimageschehen werden im SFB mit zwei Themenschwerpunkten untersucht. Im ersten Themenkomplex geht es um den Einfluß von Klimaveränderungen auf ganze Ökosysteme und insbesondere um folgende Problemstellungen: Wie und wie schnell reagieren die verschiedenen marinen und terrestrischen Ökosysteme (bzw. Faunen/Floren) auf unterschiedliche Typen und Geschwindigkeiten von Klimaänderungen (A1/A3, A4, B3, B4, C5/C7, C6)? Wie werden die Bioproduktion und biogene Karbonatproduktion durch Klimaveränderungen gesteuert und wie beeinflussen sie selbst das Klimageschehen (A1/A3, A4, B3, C6)? Diese Fragen gehören in den unmittelbaren Kontext des "Global Change" Programmes, das aber auf die jüngsten Zeitabschnitte beschränkt bleibt.

    Die Wechselwirkungen zwischen Klima bzw. Klimaveränderungen und einzelnen Organismen sind Gegenstand des zweiten Themenkomplexes, wobei sowohl modifikatorische wie auch evolutionäre Veränderungen der Organismen berücksichtigt werden. Untersucht werden Landpflanzen (D1, D4), Foraminiferen (D4), Mollusken (D1), marine Wirbeltiere (B4), Landsäugetiere (C4) und der pleistozäne Mensch (C5/C7); die erfaßten Reaktionen umfassen Veränderungen der DNA/RNA und damit der Evolutionsrate (D4), der Isotopenchemie von Zähnen und Knochen (B4, C4) und der Morphologie (C4, D1) sowie die kulturelle Entwicklung des Menschen (C5/C7). Drei gegenüber dem Erstantrag neue Entwicklungen seien besonders betont. Die Analyse stabiler und radiogener Isotope an marinen Wirbeltieren, zunächst im TP D1 entwickelt, wird jetzt als eigener Projektteil im TP B4 (Leitung: Vennemann/Hegner/Reif) fortgeführt. Durch die Berufung von Prof. Conard auf den Lehrstuhl für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie erfährt die Untersuchung der kulturellen Entwicklung des Menschen und seiner Umwelt im Pleistozän eine methodische und stratigraphische Ausweitung (TP C5/C7). Als grundlegend neues Projekt wird im TP D4 der Einfluß des Klimas und von Klimaveränderungen auf die molekulargenetisch rekonstruierbare Evolutionsgeschwindigkeit an Landpflanzen und Foraminiferen untersucht und damit die neue Arbeitsrichtung der "Molekularen Paläontologie" etabliert.

    Neben den genannten Prozeßkopplungen zwischen Klima und den endogenen, exogenen und biogenen Prozesse müssen naturgemäß auch die Wechselwirkungen zwischen diesen endogenen, exogenen und biogenen Prozessen berücksichtigt werden.

1.1.4 Geoökosysteme

Die Klimakopplung der genannten geologischen und biologischen Prozesse in den verschiedenen Zeitintervallen kann nicht global für das gesamte Klimasystem untersucht werden. Die Analysen im SFB beschränken sich daher auf (fossile) Geoökosysteme als "Funktionseinheit[en] eines real vorhandenen räumlichen Ausschnitts der Geobiosphäre" (LESER et al. 1993). Folgende Typen von (fossilen) Geoökosystemen werden von den Teilprojekten erfaßt (Abb. 4): 

Abbildung 4
Abb. 4. Geoökosysteme und Teilprojekte.

Die wichtigsten erdgeschichtlich dokumentierten Environments werden somit im SFB berücksichtigt. Dadurch soll es langfristig möglich werden, die verschiedenen Typen von Geoökosystemen in ihrer Reaktion auf Klimaveränderungen und in ihrer Klimasensitivität zu vergleichen und Klimasignale über Faziesgrenzen hinweg zu verfolgen. Mit dieser Fazies-übergreifenden Arbeitsweise bei starker Betonung des kontinentalen Bereichs bewegt sich der SFB auf einem sehr aktuellen Forschungsfeld.

1.1.5 Untersuchungsraum

Der SFB konzentriert sich mit seinen Aktivitäten auf den alpinen und circumalpinen Raum vom südwestdeutschen Schichtstufenland, über die süddeutsche Molasse und die Alpen bis zum nördlichen Mittelmeer. Dieses Gebiet ist in nahezu idealer Weise für die geplanten Untersuchungen geeignet: Durch die räumliche Beschränkung sollen möglichst weitreichende Vernetzungs- und Synergie-Effekte erzielt und als Langfristperspektive eine Zusammenführung der Teilergebnisse zu einer umfassenden Synthese im Sinne einer Klima- und Umweltgeschichte des Untersuchungsraumes möglich werden.

Die geographischen Schwerpunkte der einzelnen Projekte und ihre Beziehungen zur geologischen Entwicklung des Untersuchungsraumes sind in Abb. 5 und 6 dargestellt. Gegenüber dem Erstantrag haben sich hier kleinere Veränderungen ergeben. Nachdem bisher Süddeutschland und die Alpennordseite im Vordergrund standen, so werden jetzt vermehrt die Alpensüdseite und der Mittelmeerraum berücksichtigt (TP A1/A3, A4, B3, C1, C6); dadurch werden auch für diesen Teilraum eine bessere inhaltliche und räumliche Vernetzung sowie für die im Tertiär und Quartär angesiedelten Projekte ein unmittelbarer Vergleich mit der Alpennordseite ermöglicht.

Abbildung 5
Abb. 5. Untersuchungsraum und Teilprojekte (ohne Projektbereich D)

Abbildung 6
Abb. 6. Stark vereinfachte meso- und känozoische Entwicklung des Untersuchungsraumes und Teilprojekte.

1.1.6 Methodischer Ansatz und Modellierung

Die im SFB interessierenden Wechselwirkungen im Klimasystem können nicht direkt untersucht, sondern müssen indirekt erschlossen werden: anhand von geeigneten Proxy-Daten werden Klima bzw. Klimaveränderungen und die relevanten geologischen und biologischen Prozesse rekonstruiert, zueinander in Beziehung gesetzt und daraus möglichst quantitative Modellvorstellungen über Prozeßkopplungen entwickelt. Die Rekonstruktion von Paläoklima-Parametern nimmt methodisch im SFB entsprechend eine zentrale Rolle ein. Sie stützt sich in einigen wenigen Teilprojekten auf Literaturdaten (TP C3, D2, D3, D4), wird aber in den überwiegenden Fällen unter Anwendung eines sehr breiten Methodenspektrums auf eine Vielfalt von biotischen und abiotischen Klimaproxies neu erarbeitet. Bewährt hat sich hier die Bereitstellung und Entwicklung von Methoden zur Paläoklimarekonstruktion im TP D1; sie haben bisher zu unmittelbaren Anwendungen in den TP A1/A3, A4, B3, B4, C1, C5/C7 in ganz unterschiedlichen Faziesbereichen und Klimasystem-Typen geführt und sollen in der kommenden Bewilligungsperiode weiter ausgebaut werden.

Der Sonderforschungsbereich mißt der Entwicklung quantitativer Modellvorstellungen und damit auch dem Instrument der Modellierung besondere Bedeutung bei. Numerische Modellierungen dienen dazu, neue (Modell-)Daten zu gewinnen, sowie Modellvorstellungen über Prozeßabläufe und Prozeßkopplungen zu entwickeln und zu validieren. Hierbei sind vor allem drei Themenkomplexe zu nennen:

Modellentwicklung wird dabei nur in der Aquifer- und in geringerem Umfang in der Klimamodellierung betrieben; in der Beckenmodellierung werden im wesentlichen bestehende Programme eingesetzt.

Die Klimamodellierung wurde auf Anregung der Gutachter in der Bewilligungsperiode 1994-1997 mit einer aus der Grundausstattung finanzierten Stelle (Dipl.-Met. Dr. M. Gebka) in Tübingen neu etabliert. Sie war bisher im TP B3 angesiedelt und hat sich inzwischen im Projektbereich B mit einem eigenen Forschungskonzept sehr gut integriert (Modellierung des tertiären Klimas, Analyse der Klima-Respons auf die Alpenhebung; zu den Ergebnissen vgl. Arbeits- und Ergebnisbericht TP B3). Die Kontakte zu den verschiedenen Paläoklima-Modelliergruppen wurden aufgebaut bzw. gepflegt (v.a. AG Bengtsson, Lautenschlager/Hamburg, AG Herterich/Bremen, AG Sarnthein/Kiel, AG Schilling/Bonn, AG Barron/PennState) und gemeinsam mit dem SFB 350/Bonn ein Workshop zur Paläoklimamodellierung ausgerichtet. Im SFB-Antrag für die Bewilligungsperiode 1998-2000 ist die Klimamodellierung mit einem eigenen Teilprojekt B5 vertreten.

1.1.7 EDV-Werkzeuge und Datenintegration

Im SFB werden eine Vielzahl von Daten erhoben, die in vielen Fällen von mehreren TP gleichzeitig genutzt werden. Für die Datenverarbeitung, -auswertung und -visualisierung ist teilweise der Einsatz von komplexen EDV-Werkzeugen notwendig. Daher wurde im TP Z eine zentrale Anlaufstelle geschaffen, welche diese zentralen EDV-Dienste sowie die entsprechende Hardware innerhalb des SFB bereitstellt. Personell setzt sich diese Arbeitsgruppe Geoinformatik zusammen aus G. Lörcher (Geoinformatik, GA) und M. Siegl (Systemprogrammierer, EA), die eine Beratung und Schulung der SFB-Mitarbeiter durchführen und die TP bei der Planung und Anwendung von neuen Auswertemethoden unterstützen. Im folgenden sind die Arbeitsschwerpunkte des Teilprojekts Z im Bereich der komplexen EDV-Werkzeuge aufgeführt:
  1. (Bereitstellung von Informationen über Art und Speicherung von SFB-Daten in den TP: Aufgebaut wurde zunächst eine auf dem WWW basierende Metadatenbank, welche die SFB-Mitarbeiter über Art und Umfang der in den einzelnen Teilprojekten erhobenen und gespeicherten Daten informiert. Zusammen mit weiteren Angaben über Inhalte der TP swie die SFB-Mitarbeiter trägt dieses Informationssystem zur Präsentation des SFB nach außen bei (z.Zt. 20.000 Anfragen/Monat). Die Bedeutung der Metadatenbank wird mit der Laufzeit des SFBs noch anwachsen, wenn verstärkt Daten-Verschneidungen durchgeführt und Synthesen erarbeitet werden. In der kommenden Bewilligungsperiode soll ferner die Übernahme des Datenbanksystems "PANGAEA" für die einheitliche Speicherung von spezifischen SFB-Daten erprobt werden.

  2. Einsatz von komplexen EDV-Werkzeuge im Bereich GIS, Visualisierung und digitale Bildverarbeitung: Dadurch wird gewährleistet, daß alle Projekte Zugang zu modernsten Datenanalyse- und Datenaufbereitungsmethoden haben, entsprechende Unterstützung und Beratung erfahren und eine methodische Vereinheitlichung und Vernetzung im Bereich der EDV-Werkzeuge zwischen den Teilprojekten entsteht. Die Bereiche GIS und Visualisierung wurden in der bisherigen Laufzeit aufgebaut, wenn auch noch nicht in ausreichender Kapazität; die digitale Bildverarbeitung muß, aufgrund des hohen Bedarfs, in der neuen Bewilligungsperiode etabliert werden.

  3. Bereitstellung hochwertiger Farbausgabegeräte: Für die Erstellung von Postern, Publikationen und Vortragsmedien werden in allen TP hochwertige Farbausgabegeräte benötigt. Darüber hinaus sind für die Anwendungsbereiche GIS, Visualisierung und digitale Bildverarbeitung die Anschaffung weiterer Ausgabegeräte, insbesondere eines Dia-Belichters und eines hochwertigen Farbdruckers, über einen WAP-Antrag geplant. Das TP Z betreut und verwaltet diese hochwertigen Peripheriegeräte und stellt sie den TP zur Verfügung.

Die 'zentralen EDV-Dienste' des Teilpojekts Z sind in der bisherigen SFB-Laufzeit von den Teilprojekten insgesamt sehr gut angenommen worden, was sich auch in den zahlreichen Kooperationen mit den TP dokumentiert. Durch die Unterstützung und Beratung im Bereich der komplexen EDV-Werkzeuge leistet das TP Z einen wesentlichen Beitrag zur Integration von Methoden und Daten innerhalb des SFB.

1.1.8 Vernetzung und Synthese

Das Forschungsprogramm des SFB ist so angelegt, daß eine Kooperation und Vernetzung der Teilprojekte auf mehreren Ebenen möglich wird:
  1. Vernetzung über die Klimasystem-Typen: Jeweils mehrere Teilprojekte untersuchen die Wechselwirkungen in den hier unterschiedenen drei Klimasystem-Grundtypen. Besonders intensiv ist diese Vernetzungsebene im Projektbereich B. (Vgl. Abb. 2.)

  2. Vernetzung über die Prozeßkopplungen: Die gleichen Prozeßkopplungen werden von verschiedenen Teilprojekten in unterschiedlichen Klimasystem-Typen und Geoökosystemen untersucht (vgl. Abb. 7).

  3. Vernetzung über die Geoökosysteme: Die gleichen Geoökosysteme werden in ihrer Kopplung an das Klimageschehen von verschiedenen Teilprojekten in unterschiedlichen Klimasystem-Typen untersucht (vgl. Abb. 4).

  4. Vernetzung über den Untersuchungsraum: Alle Teilprojekte arbeiten in einem vergleichsweise kleinen, gut umgrenzten Untersuchungsraum (vgl. Abb. 5, 6).

  5. Neben diesen inhaltlichen Vernetzungsebenen existieren auch über gemeinsam genutzte Methoden (etwa der Klimarekonstruktion oder der Modellierung) zahlreiche Querverbindungen zwischen den 0Teilprojekten.

Abbildung 7
Abb. 7. Vernetzung der Teilprojekte über die untersuchten Prozeßkopplungen

Die erstgenannten vier Vernetzungsebenen beschreiben zudem die Themenkomplexe, in denen im Laufe der Gesamtlaufzeit des SFB eine Synthese aus den Einzelprojekten erarbeitet werden muß; die wesentlichen Fragen dieser Synthese sind in den Kap. 1.1.2 - 1.1.5 aufgeführt. Die Zusammenführung der Einzelergebnisse darf nicht erst am Ende der SFB-Laufzeit eingeleitet werden; vielmehr müssen die Forschungsarbeiten der Teilprojekte frühzeitig auch an der Gesamtsynthese ausgerichtet werden. Dies erfordert eine gezielte Wissenschaftskoordination, die die Teilprojekte laufend stimuliert, nicht nur ihre konkreten Forschungsziele, sondern auch die übergeordneten Fragestellungen des SFBs im Auge zu behalten. Dies muß unter anderem durch die Organisation von (SFB-internen) Arbeitsgesprächen und Workshops (mit externer Beteiligung) erfolgen. Die Erfahrung zeigt, daß diese zentrale Koordinierungsaufgabe mit der bisherigen Organisationsstruktur des SFBs nicht adäquat geleistet werden kann.

Es wird daher im TP Z ein wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Wissenschaftskoordination im SFB beantragt.